- EPA-Studie zeigt: 10% des weltweiten Patentaufkommens 2018 betrifft Technologien der Vierten Industriellen Revolution (4IR)
- USA mit den meisten Patenten, starkes Wachstum aus China und Südkorea; Europa verliert trotz Zunahme an Boden
- Deutschland hochspezialisiert in Datenmanagement, Positionsbestimmung und Sicherheit
- München, Stuttgart und Nürnberg regionale Innovationsclustern von globaler Bedeutung
- Fraunhofer-Gesellschaft weltweit auf zweitem Platz der Universitäten und Forschungseinrichtungen
Wie eine heute veröffentliche Studie des Europäischen Patentamts (EPA) zeigt, hat sich die Entwicklungsgeschwindigkeit weltweiter Innovationen im Bereich vernetzter intelligenter Objekte enorm beschleunigt. Die Zahl der Patentanmeldungen in den Technologien der 4. Industriellen Revolution (4IR), die das Internet der Dinge, Big Data, 5G und Künstliche Intelligenz (KI) umfassen und die digitale Transformation prägen, steigt zwischen 2010 und 2018 weltweit jährlich um fast 20%, rund fünfmal schneller als der Durchschnitt aller Technologiefelder. Europa hat aufgrund eines langsameren Anmeldewachstums jedoch gegenüber den anderen Innovationszentren an Boden verloren.
Die Studie „Patente und die Vierte Industrielle Revolution. Globale Technologietrends – Treiber der datengesteuerten Wirtschaft“ untersucht erstmals sämtliche internationale Patentfamilien (IPF) im Zusammenhang mit 4IR-Technologie, die weltweit zwischen 2000 und 2018 eingereicht worden sind. Demnach wurden allein im Jahr 2018 fast 40 000 neue IPF für diese Technologien angemeldet, womit sie mehr als 10% des gesamten weltweiten Patentierungsaufkommens ausmachten. Aus Deutschland stammten im selben Jahr über 2 000 IPF, was einem Anteil am weltweiten Patentierungsaufkommens von etwas mehr als fünf Prozent entspricht.
Damit ist Deutschland in Europa führend und steuert nahezu jede dritte europäische Erfindung in dem Segment bei. Im weltweiten Vergleich lag Deutschland im Zeitraum 2010-2018 an fünfter Position hinter den USA, Japan, Südkorea und China. Dabei wuchsen die IPF aus Deutschland jedoch im selben Zeitraum durchschnittlich nur um 14,9% pro Jahr und blieben damit klar hinter dem jährlichen Wachstum in den USA (18,5%), Südkorea (25,2%), China (39,3%) und selbst dem europäischen Durchschnitt von 15,5% zurück.
“Die Kombination von intelligent vernetzten Geräten, schnellerem drahtlosem Internet, Big Data und KI verändert unsere Weltwirtschaft tiefgreifend und hat weitreichende Auswirkungen auf viele Sektoren, von der Produktion über das Gesundheitswesen bis hin zum Transport", sagte EPA-Präsident António Campinos. "Es handelt sich nicht nur um eine Beschleunigung von Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, sondern vielmehr um eine bedeutende Verschiebung hin zu einer vollständig datengetriebenen Wirtschaft. Es ist zwar zutreffend, dass Europa nicht so schnell wächst wie andere Regionen. Unsere Stärke liegt jedoch in der Vielfalt unseres Innovationsökosystems, in der starken Leistung einiger kleinerer Volkswirtschaften mit hohem Spezialisierungsgrad sowie in den innovativen regionalen Clustern, die in Europa zuhause sind.“
Deutschland hochspezialisiert in den Enabling-Technologien Sicherheit, Positionsbestimmung und Datenmanagement
Laut der Studie verfügt Deutschland über einen hohen Spezialisierungsgrad in den sog. Enabling-Technologien Sicherheit, Positionsbestimmung und Datenmanagement, die in Kombination mit vernetzen Objekten genutzt werden, sowie in den Anwendungsgebieten Fahrzeuge, Fertigung und Landwirtschaft. Bei 4IR-Kerntechnologien wie IT Hardware, Software und Konnektivität, aber auch in den Enabling-Technologien Energieversorgung und insbesondere bei Künstlicher Intelligenz ist Deutschland gemäß der Studie hingegen schwächer positioniert.
In Europa selbst stammen 29% der zwischen 2000 und 2018 angemeldeten IPF aus Deutschland. Das Vereinigte Königreich und Frankreich verfügen über Anteile von 14.3% bzw. 12.5% an den europäischen IPF. Mehrere kleinere Volkswirtschaften – Schweden (10.1% aller europäischen IPF seit 2000), die Niederlande (7,7%), Finnland (6,9%) und die Schweiz (3,5%) – tragen ebenfalls maßgeblich zur 4IR-Innovation in Europa bei.
Siemens bestplatziertes deutsches Unternehmen; Fraunhofer-Gesellschaft weltweit auf zweitem Platz unter den Forschungseinrichtungen
An der Spitze der Liste der führenden Anmelder der Jahre 2010 bis 2018 stehen die südkoreanischen Unternehmen Samsung und LG. Außer vier US-amerikanischen Unternehmen befinden sich zwei europäische Firmen sowie jeweils eine aus Japan und China in den Top 10.
Als bestplatziertes deutsches Unternehmen belegte Siemens in diesem Zeitraum den 18. Rang mit einem starken Fokus auf Datenmanagement, vor allem in den Bereichen Planung und Steuerung, als auch Analytik und Diagnose, sowie Konnektivität.
Das Unternehmen zeigt zudem eine hohe Spezialisierung in den Anwendungsgebieten Fertigung, Gesundheitswesen, Infrastruktur und intelligente Fahrzeuge. Robert Bosch (Rang 20) weist ebenfalls eine hohe Spezialisierung bei Fertigung und intelligenten Fahrzeugen auf und ist zudem das einzige Unternehmen unter den globalen Top 20 Anmeldern mit einer hohen Spezialisierung im Anwendungsbereich Landwirtschaft. Weiter hinten platziert sind Volkswagen und Continental, wobei Volkswagen in den letzten Jahren ein starkes Wachstum verzeichnete. Die Fraunhofer Gesellschaft, die mit einem ausgeprägten Fokus auf Benutzerschnittstellen und IT-Hardware und einer hohen Spezialisierung im Bereich Benutzeroberflächen bei den Forschungsinstituten im weltweiten Ranking hinter der südkoreanische Forschungseinrichtung ETRI den zweiten Platz belegt, gehört ebenfalls zu den fünf stärksten deutschen Anmeldern.
Starke Zentren in Deutschland – Regionale Innovationscluster spielen weltweit bedeutende Rolle
Die Studie zeigt überdies, dass sich Innovationsfähigkeit auf bestimmte regionale Innovationscluster konzentriert und dass die Innovationstätigkeit in Europa auf kleinere regionale Cluster verteilt ist. Die weltweit größten 20 Cluster gehören zu den Innovationsführern in ihren jeweiligen Ländern und zeichneten im Berichtszeitraum zusammen für deutlich über die Hälfte (56,3%) aller 4IR-Patente verantwortlich (vgl. Abbildung: Größte 4IR-Cluster in Europa und im Nahen Osten, 2010-2018).
Deutschland ist europaweit mit drei Clustern das am besten repräsentierte europäische Land. Neben München (Rang 17) und Stuttgart (Rang 20) zählt auch Nürnberg (Rang 31) zu den global bedeutenden Innovationszentren für 4IR-Technologien.
Mit einer jährlichen Wachstumsrate von 16,1% zeigte sich die Innovationstätigkeit in München zwischen 2010 und 2018 besonders dynamisch. Die Region verfügt über eine hohe 4IR-Spezialisierung in Positionsbestimmung, Datensicherheit sowie bei 3D-Systemen und Fahrzeugen. Einen maßgeblichen Beitrag leisten dabei Siemens, BMW und der Volkswagen- Konzern (dessen Tochtergesellschaft Audi in Ingolstadt ansässig ist), die zusammen 40% der IPF des Clusters generierten.
Die Region Stuttgart ist auf Datenmanagement, Positionsbestimmung und Anwendungen für die Automobil- und Fertigungsindustrie spezialisiert. Das Innovationszentrum strukturiert sich rund um Robert Bosch, das seit 2010 39% der IPF des Clusters beigesteuert hat, sowie Nokia (7%) und SAP (5%).
Weiterführende Informationen
Die gesamte Studie sowie die Zusammenfassung der Studie finden Sie unter epo.org/trends-4IR.
Über die Studie
Diese Studie untersucht die Entwicklung im Bereich der 4IR-Technologien aus einer globalen Perspektive auf der Grundlage von internationalen Patentfamilien (IPF). Es werden alle IPF untersucht, die von Unternehmen und Erfindern auf der ganzen Welt zwischen 2000 und 2018 in über 350 verschiedenen Technologiefeldern eingereicht worden sind. Die Studie zeigt auch die wichtigsten Cluster für bestimmte 4IR-Kompetenzen in den USA, Europa, Japan, der Republik Korea sowie China auf und präsentiert vier Fallstudien, in denen eine Reihe von Erfindungen im Zusammenhang mit der Vierten Industriellen Revolution dargestellt werden.
Internationale Patentfamilien
Die Patentanalyse in diesem Bericht basiert auf dem Konzept der internationalen Patentfamilien (IPF). Jede IPF steht für eine einzelne Erfindung für die Patentanmeldungen in mindestens zwei Ländern oder bei einem regionalen Patentamt (wie z.B. dem EPA) eingereicht und dort veröffentlicht wurden, sowie veröffentlichte internationale Patentanmeldungen. IPF repräsentieren Erfindungen, die von ihrem Schöpfer für wertvoll genug erachtet werden, um internationalen Patentschutz anzustreben. Nur ein relativ kleiner Prozentsatz der Anmeldungen schafft es über diese Schwelle. Dieses Konzept kann daher als solide Grundlage für den Vergleich internationaler Innovationsaktivitäten herangezogen werden, da es die Verzerrungen reduziert, die beim Vergleich von Patentanmeldungen bei verschiedenen nationalen Patentämtern entstehen können.
Mit 6 600 Bediensteten ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Außerdem ist das EPA weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
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