Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE feiert in diesem Jahr sein 40jähriges Jubiläum. Das größte Solarforschungsinstitut Europas mit mittlerweile rund 1300 Mitarbeitenden begleitete die Energiewende in Deutschland von Anfang an mit. Heute ist es weltweit einer der wichtigsten Impulsgeber und Forschungspartner für eine Energieversorgung basierend auf 100 Prozent erneuerbaren Energien.

Zu diesem Anlass veranstaltet das Fraunhofer ISE heute ein Symposium unter dem Titel »Nachhaltige Forschung für die Energiewende – und für die Generationen nach uns«. Dazu Institutsleiter Prof. Dr. Hans-Martin Henning »Von Anfang an haben wir am Fraunhofer ISE mit großer thematischer Bandbreite und einem Blick auf das gesamte Energiesystem Forschungs- und Entwicklungsarbeit geleistet«. Institutsleiter Prof. Dr. Andreas Bett ergänzt: »Bei unserem Symposium blicken wir auf 40 erfolgreiche Jahre zurück. Wir fragen aber auch, welche gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Anstrengungen jetzt erforderlich sind, um einem klimaneutralen Energiesystem zum Durchbruch zu verhelfen.«
Der Solarpionier Prof. Adolf Goetzberger, damals Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik IAF, gründete das Fraunhofer ISE 1981 gegen anfängliche Widerstände. Das Institut umfasst heute zwei etwa gleich große Bereiche: Photovoltaik sowie Energietechnologien und -systeme. Das spiegelt sich auch bei der Institutsleitung wider, die seit 2017 Prof. Dr. Hans-Martin Henning und Prof. Dr. Andreas Bett als Doppelspitze innehaben.

Photovoltaikforschung für höhere Wirkungsgrade und niedrigere Kosten

PV-Technologien, die am Fraunhofer ISE entwickelt wurden, haben starke Verbreitung in der internationalen Solarzellenproduktion gefunden, wie zum Beispiel der Einsatz von Lasern oder die TOPCon-Technologie. In der Anwendung dieser und weiterer PV-Technologien erzielte das Institut zahlreiche Rekorde: Weltrekorde, wie den Wirkungsgradrekord für multikristalline Siliciumsolarzellen mit TOPCon Technologie (22,3 %), beidseitig kontaktierte Siliciumsolarzellen mit TOPCon-Technologie (26.0 %) und für III-V-Tandemzellen auf Silicium (35.9 %).

Forschung für CO2 neutrale Energietechnologien und -Systeme

Der Umbau der Energieversorgung auf erneuerbare Energien endet nicht bei der Energiebereitstellung. Um den systemischen Anforderungen einer erneuerbaren Energieversorgung in der gesamten Breite gerecht zu werden, beschäftigen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer ISE von Beginn an auch mit der Integration solaren Stroms und solarer Wärme in das Energiesystem. Sie betreuten zum Beispiel ab 1987 das Energieprojekt an der Rappenecker Hütte, die unter ihrem Geleit die erste vollständig mit Solarenergie versorgte Wandergaststätte wurde. Ihr Jahresstromverbrauch von 4000 kWh wird zu rund 65 Prozent von der Photovoltaik, zu circa 10 Prozent von Windkraft und zu 25 Prozent mit Hilfe einer Brennstoffzelle gedeckt. Auch Meilensteine wie die Entwicklung des ersten vollelektrischen Wechselrichters zum Einsatz in autonomen PV-Anlagen oder ein hocheffizientes induktives Ladesystem für Elektrofahrzeuge tragen die systemische Handschrift des Instituts. Heute wird an einem eigenen Standort die Leistungselektronik der zukünftigen Stromnetze, die immer größere Anteile von Strom aus Sonne und Wind enthalten, entwickelt.
Im Bereich der Solarthermie entwickelte das Institut unter anderem Solarkollektoren aus Ultrahochleistungsbeton und neuartige selektive Solarabsorberschichten für thermische Solarkollektoren, entwickelte aber auch Verfahren zu optimierten Regelung von solarthermischen Kraftwerken. Wärmepumpen – einer zentralen Heiztechnologie der Zukunft – widmen sich die Forscherinnen und Forscher mit umfangreichen Feldtests, sowie der Weiterentwicklung von Kältekreisen mit natürlichen, klimaschonenden Kältemitteln.

Die entscheidende Phase der Energiewende begleiten

Wegweisende Studien des Fraunhofer ISE, wie zum Beispiel jüngst die wieder aktualisierte, auf dem ReMod-Modell basierende Studie »Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem – Die deutsche Energiewende im Kontext gesellschaftlicher Verhaltensweisen« zeigen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bis 2045 stark intensiviert werden muss. Sie belegt zugleich den hohen Einfluss gesellschaftlichen Verhaltens auf Aufwand und Kosten des Umbaus des Energiesystems.
Die umfassende, öffentlich zugängliche Energiedatenbank »Energy-Charts« bereitet Energiedaten in Deutschland und mittlerweile auch anderen europäischen Ländern auf und dient vielen Akteurinnen und Akteuren als Informations- und Diskussionsgrundlage zum Stand der Energiewende.

Der Anforderung an das sechs- bis achtfache der aktuellen Flächen für Photovoltaik, begegnen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Forschung zu Integrierter Photovoltaik: 2017 konzipierten sie die erste Agri-PV Anlage in Deutschland, 2019 präsentierten sie ein farbiges PV-Autodach. Neuartige Modulverschaltungen wie neue Zellverbinder, Klebeverfahren für Schindelmodule, Module für Gebäudeintegrierte Photovoltaik und farbige MorphoColor®-Schicht ermöglichen immer bessere Photovoltaikmodule auch für anspruchsvollere Flächen.

Die Effizienz der Solarzellen und -module soll auch zukünftig vorangetrieben werden, zum Beispiel mit einem Forschungsschwerpunkt auf höchsteffiziente Tandemphotovoltaik in einem dafür im Sommer 2021 eingeweihten Zentrum für höchsteffiziente Solarzellen. Die Speicherung des so gewonnen Stroms wird ab 2022 ebenfalls ein neues Laborgebäude erhalten, in dem Forschung und Test von Batteriespeichersystemen noch umfassender möglich sein wird als aktuell. Und auch beim letzten großen Baustein der Energiewende, Wasserstoff, ist ein Ausbau der Infrastruktur geplant. Die erste solare Wasserstofftankstelle in Freiburg, 2012 als öffentlich zugängliche Pilotprojekt und Forschungsplattform eröffnet, bekommt längst mehr Andrang, als sie bedienen kann.
»Viel wurde erreicht, um eine auf erneuerbaren Energien basierende Energieversorgung überhaupt denkbar zu machen. In der Umsetzung liegt allerdings noch das größte Wegstück für uns«, so Hans-Martin Henning. Und Andreas Bett ergänzt: »Deshalb wird angewandte Forschung zum Transfer neuer Technologien und Systemlösungen auch in den nächsten Jahrzehnten nicht an Bedeutung verlieren.«

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