Das MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, VERKEHR, LANDWIRTSCHAFT UND WEINBAU sprach der Projektgruppe seine finanzielle Unterstützung im Dezember 2021 zu. Der offizielle Startschuss fällt am 1. April 2022. Projektbetreiberin ist die H&G Kesseler GbR in Lutzerath. Die ÖKOBIT GmbH aus Föhren übernimmt die Rolle des Lead-Partners in der Gruppe, zu der sich sechs Akteure in der Region zusammengeschlossen haben. Weitere, „assoziierte“ Partner in Baden-Württemberg stehen dem Projekt beratend zur Seite.

 Etablierung einer innovativen Faser- und Energiegewinnung in der Landwirtschaft mit der Durchwachsenen Silphie“ (kurz EiFEL-Silphie),

lautet der Titel des Vorhabens. Mit dem zukunftsweisenden Projekt sollen die technischen und agrarökonomischen Grundlagen für den Anbau und die Mehrfachverwertung einer ganz besonderen Pflanze gelegt werden. Die Durchwachsene Silphie, auch Becher- oder Kompassblume genannt, gilt bereits als umweltfreundliche und nachhaltige Energiepflanze. Nun macht sie auch als Faserlieferantin für die Papier- und Verpackungsindustrie Karriere. In einigen Regionen in Süddeutschland wird sie deshalb bereits im großen Maßstab angebaut.

Nachhaltig, umweltfreundlich und pflegeleicht

Die gelb-blühende Silphie sieht nicht nur hübsch aus, sie weist bereits seit mehreren Jahren den Weg in eine nachhaltigere Zukunft für die Biogasproduktion –  und zwar „durch eine Umstellung von ressourcenintensiven einjährigen Pflanzenkulturen hin zu einer pflegeleichten, tiefwurzelnden, mehrjährigen Kulturpflanze mit enormen ökologischen und agrarökonomischen Vorteilen.“, wie es in der Ausschreibungspräsentation der Projektgruppe heißt. „Die Silphie ist in der Lage Humus aufzubauen und dadurch CO2 im Boden einzulagern sowie den Wasser- und Nährstoffhaushalt zu verbessern, Bodenerosion entgegen zu wirken und die Artenvielfalt zu erhöhen. Außerdem bietet sie eine echte Alternative zum Maisanbau in Rheinland- Pfalz, der aus ökologischer Sicht allgemein kritisch bewertet wird.“

Die weithin leuchtende „Wunderpflanze“ stellt zudem Insektenweiden für die Honigproduktion bereit. Wildschweine hingegen mögen das Kraut nicht, so dass – anders als beim Mais – an Silphie-Feldern keine Schäden durch die hungrigen Tiere entstehen. Abgesehen davon, ist die Silphie auch noch besonders pflegeleicht. Sie benötigt im ersten Jahr noch etwas mehr Aufmerksamkeit. Danach muss sie nur im Frühjahr gedüngt und dann im Herbst geerntet werden – und das über 10 bis 20 Jahre. Und: Sie macht sich besonders gut in Grundwasserschutzgebieten, denn mit ihren Wurzeln fängt die Silphie ganzjährig freie Nährstoffe (Nitrate) im Boden auf und schont damit das Grundwasser.

Rundum nützlich

Aus lokalwirtschaftlicher Sicht wird mit dem geplanten Projekt der Grundstein für eine ganz neue – kombinierte – Nutzung von Energiepflanzen in Rheinland-Pfalz gelegt, die einen geschlossenen Kreislauf ermöglichen wird. Das heißt: Von der Faser über die nach der Separation verbleibende Biomasse und das Filtrat bis hin zum nährstoffreichen Gärsubstrat macht sich die Silphie rundum nützlich.

„Die Pflanze kann auch komplett vergoren werden, aber die separate Gewinnung und Verwertung der Faser erhöht die Wirtschaftlichkeit des Prozesses. Es handelt sich also um eine so genannte Kaskadennutzung, die die Ansprüche einer klassischen Kreislaufwirtschaft erfüllt.“,

erläutert ÖKOBIT-Geschäftsführer Christoph Spurk.

Ökologisch wie auch wirtschaftlich betrachtet, fällt ein weiterer Aspekt ins Gewicht: Der Frischfaserbedarf für die Papierherstellung beträgt in Deutschland derzeit mehr als 6 Millionen Tonnen jährlich, Tendenz steigend. Ein Großteil davon stammt aus tropischen Hölzern und Eukalyptusplantagen in Brasilien. Die Durchwachsene Silphie könnte als lokale und besonders umweltfreundliche Ressource einen immer größeren Teil des Bedarfs decken.

Im Rahmen des Projektes entwickeln die Partner eine Raffinerie-Vorstufe, mit der die industriell verwertbaren Fasern aus der Pflanze gelöst werden können. Mit dem Pflanzenrest erzeugen Anlagenbetreiber, wie gehabt, Biogas für die Strom- und Wärmeproduktion, wobei ein Teil davon wiederum für die Silphie-Raffinierung eingesetzt werden kann. Schließlich fällt auch hier ein nährstoffhaltiges, nachhaltiges Gärprodukt an, das als Dünger eingesetzt wird.

„Die Kultivierung der „Durchwachsenen Silphie“ bietet bereichsübergreifende Zukunftsperspektiven: für die Landwirtschaft, für ausgeförderte Biogasanlagen, für die Papier- und Verpackungsindustrie und nicht zuletzt für umweltbewusste Verbraucherinnen und Verbraucher.“,

fasst Philipp Senner, Projektleiter bei ÖKOBIT, die Vorteile zusammen.

Was kommt nach dem Auslaufen der EEG-Förderung?

Diese Frage stellten sich auch Edwin und Hermann Kesseler, Geschäftsführer der Gebr. Kesseler Bioenergie GmbH in Lutzerath. Sie beschäftigen sich schon seit 2004 mit der Erforschung von Mais-Alternativen und speziell mit der Durchwachsenen Silphie als ressourcenschonende und nachhaltige Energiepflanze. Nach dem Auslaufen der 20-jährigen EEG-Förderung geht es für sie wie für Energiewirte überall in Deutschland darum, die Wirtschaftlichkeit ihrer Bestandsanlagen für die Zukunft zu sichern. Vor drei Jahren begannen die Brüder mit dem eigenen Anbau. Nun initiierten sie das vom Land geförderte Doppel-Nutzungs-Projekt.

Ein interessantes, neues Geschäftsmodell

„Mit Silphie Biogas in die Zukunft führen und neue Konzepte für eine nachhaltige Landwirtschaft entwickeln“,

das ist das Motto von Edwin und Hermann Kesseler.

Der ganzheitliche Verwertungsansatz, den die Projektteilnehmer für die Silphie erforschen und erproben, könnte es Energiewirten in der Region ermöglichen, entfallende Förderungen zumindest teilweise zu kompensieren. Sie werden unter bestimmten Voraussetzungen über ihre erweiterte Biogasanlage ein neues Geschäftsmodell etablieren können.

Die ÖKOBIT-Vision für eine technologische und wirtschaftliche Weiterentwicklung der Biogaserzeugung geht dabei noch über das aktuelle Projekt hinaus:

„Es geht darum, den Biogasprozess in einen Industrieprozess, hier die Papier- und Verpackungsproduktion – einzubinden. Das heißt, um die Energiebereitstellung für Produktionsprozesse, indem man den „Abfall“ nutzt. Das ist aus unserer Sicht ein Zukunftsmarkt – in Deutschland und weltweit.“,

betont Christoph Spurk.

Die Wurzeln des EiFEL-Silphie Projekts liegen an der Donau

Im Januar 2021 wurden die Kesselers erstmals auf die kombinierte Verwertung der Durchwachsenen Silphie als optimale Faserlieferantin aufmerksam. Sie sprachen mit Christoph Spurk, um mit ÖKOBIT gemeinsam die technischen Möglichkeiten dieser Verwertungsweise für Biogasbauern auszuloten. Im Juni 2021 reiste man gemeinsam mit einer kleinen Delegation nach Baden-Württemberg, um das dort bereits etablierte Projekt „Donau-Silphie“ in Augenschein zu nehmen. Dafür kooperieren die Agrarinnovationen Hahnennest GmbH, ein Zusammenschluss von vier landwirtschaftlichen Betrieben mit der Papierproduzentin Out Nature GmbH, um eine Pilotraffinerie für die Faser-Separation zu schaffen. Die Partner sind sehr daran interessiert, ihre Idee überregional zu verbreiten. Das Eifeler Konsortium war daher mehr als willkommen und erhält für das eigene Projekt umfangreiche Unterstützung von der Donau. Rund 100 Landwirte bauen in Baden-Württemberg bereits die Durchwachsene Silphie für die zweifache Verwertung an.

Silphie-Lieferanten gesucht

Auch die Vorteile für Silphie-Lieferanten liegen auf der Hand: Sie profitieren von langfristigen und lukrativen Abnahmeverträgen für ihre Ernte über voraussichtlich mindestens 10 Jahre. Ein weiterer Vorteil: Für die Einlagerung größerer Mengen von CO2 in den Boden, wie sie über die pflegeleichte Silphie auf Dauer realisiert wird, erhalten Landwirte CO2-Zertifikate, die am Markt gehandelt werden können.

Für das EiFEL-Pilotprojekt werden 30 bis 40 landwirtschaftliche Betriebe gesucht, die einen Teil ihrer Fläche dem kommerziellen Anbau der vielseitigen Silphie widmen wollen. 800 bis 1.000 Hektar sind für die Umsetzung notwendig.

Komplexe Aufgabenstellung

Parallel dazu wird das gesamte Vorhaben an den rechtlichen Rahmen in Rheinland-Pfalz angepasst, und es müssen die technischen Voraussetzungen für Biogasanlagen zur Umstellung auf die Silphie geschaffen werden. Dies betrifft die gesamte Wertschöpfungskette: den Anbau, die Ernte und die Lagerlogistik sowie die Biogasanlage selbst, einschließlich der Abwasserbehandlung und die späteren Nutzer der Silphie-Fasern. Ein weiterer Punkt auf der Agenda ist die Digitalisierung der Landwirtschaft und die Optimierung von Erntetechnologie. So sollen die Informationen über Erträge und Qualitäten aus dem Silphie-Anbau bereits „vom Feldrand aus“ digital zur weiteren Planung und Verwendung zur Verfügung stehen.

Optimierung und Weiterentwicklung des Biogasprozesses

Im Unterschied zur ersten großtechnischen Pilotanlage zur Separation von Silphie-Fasern in Baden-Württemberg, soll im Rahmen des Eifeler Projektes neben der Faserseparation (der ersten Stufe der Bioraffinerie), gleich eine zweite Stufe mitentwickelt und erprobt werden. Das Sekundärprodukt, ein flüssiges Substrat mit wertvollen Inhaltsstoffen für die Biogasproduktion, soll, so der Plan, mittels einer Ultrafiltrationstechnologie oder Membran-Destillation weiter separiert werden. Dies führt zu einer erheblichen Reduktion der Substratmenge für die Biogasanlage bei gleichem Biogasoutput. In der Folge kann das benötigte Volumen des Bio-Reaktors verkleinert, der Energiebedarf im Biogasprozess erheblich reduziert sowie das Transportaufkommen zur Ausbringung der Gärreste verringert werden. Der Einsatz einer solchen Technologie wurde bislang noch nirgendwo erprobt.

Ziel des Pilotprojektes ist die Genehmigung für die Errichtung von Anlagen im industriellen Maßstab, die Beteiligung von ausreichend vielen Silphie-Produzenten und eine Finanzierungszusage von Investoren. Zudem wollen die Beteiligten einen Leitfaden für Biogasanlagenbetreiber verfassen, in dem die ihre Erfahrungen niedergelegt sind. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren. In dieser Zeit sollen die Voraussetzungen für den kommerziellen Anbau der Silphie in Rheinland-Pfalz und die geplante Errichtung einer zweistufigen Bioraffinerie geschaffen werden. Außerdem soll die erste Silphie-Raffinerie in Rheinland-Pfalz als Blaupause für weitere Anlagen dieser Art dienen und somit eine neue Perspektive für Landwirte und Biogasanlagenbetreiber in der Region aufzeigen sowie den ländlichen Raum insgesamt stärken.

Die Hauptakteure und ihre Aufgaben

Die Gebr. Kesseler Bioenergie GmbH plant den Bau und Betrieb der Bioraffinerieanlage am Standort ihrer Biogasanlage in Schmitt, im Landkreis Cochem-Zell, übernimmt den Verkauf der Silphie-Fasern und setzt das Biogassubstrat im eigenen Fermenter ein. Die H&G Kesseler GbR geht in den großflächigen Anbau zur Fasergewinnung.

Die silphietec GmbH führt die Anlagenplanung für die Faserseparationsanlage (1. Raffineriestufe) einschließlich der Schnittstellen durch.

Die ÖKOBIT GmbH ist verantwortlich für das Projektmanagement, die Koordination sowie die Planung der Anlage zur Weiterbehandlung des Sekundärprodukts, die Anlageninfrastruktur und die Abwasserbehandlung.

Die ÖKOConsult – Umwelttechnik GmbH übernimmt die Vorbereitung und Durchführung der Genehmigungen für die Bioraffinerieanlagen sowie der erforderlichen Erweiterung der Bestandsanlagen und der Abwasserbehandlung.

Aufgabe des Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e.V. (PFI) wird die Forschung, Erprobung und Entwicklung geeigneter Verfahren zur Weiterbehandlung des Sekundärprodukts (2. Raffineriestufe) sein.

Das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Eifel (Kompetenzzentrum Landwirtschaft und NaWaRos) unterstützt die Partner mit Beratung zum Thema Pflanzenbau, Boden, Nährstoffbedarf, Wasserhaushalt, Erosionsschutz und bringt ihr Netzwerk in das Projekt ein.

Über das Förderprogramm

Das Land Rheinland-Pfalz (MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, VERKEHR,
LANDWIRTSCHAFT UND WEINBAU) fördert sieben Projekte mit Mitteln des Förderinstruments „Europäische Innovationspartnerschaft landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ (EIP-Agri). Insgesamt hatten sich 14 sogenannte Operationelle Gruppen im vierten Förderaufruf beworben. Der Bewertungsausschuss des Landes Rheinland-Pfalz wählte die sieben vielversprechendsten Vorhaben aus. (Quelle: Ministerium)

 

Über die ÖKOBIT GmbH

Als Biogasanlagen-Hersteller und -Planer der ersten Stunde zählt ÖKOBIT heute mit über 250 nationalen und internationalen Projekten zu den gefragtesten Komplettanbietern der Branche. Wir entwickeln und bauen technisch intelligente, substratflexible Biogas- und Biomethananlagen, die optimal mit den individuellen Standortbedingungen unserer Auftraggeber korrespondieren.

ÖKOBIT ist ein inhabergeführtes Unternehmen mit solider Kapitalbasis und einem außergewöhnlich breiten Leistungsspektrum und Fachwissen. Unser Biogas-Experten Team aus erfahrenen Ingenieuren, Betriebswirten sowie Energie- und Umwelttechnikern arbeitet mit vollem Engagement an der Realisierung umweltfreundlicher Biogas-Konzepte mit höchster Wirtschaftlichkeit.

ÖKOBIT setzt auf bewährte und besonders flexible Technologiekonzepte und sorgt für deren sichere Umsetzung. Neben der Beratung und Wirtschaftlichkeitsberechnung übernehmen wir als Generalunternehmer alle Aufgaben von der Planung und Genehmigung bis zum schlüsselfertigen Anlagenbau.

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