Unsere Ernährungsversorgung ist stark abhängig von lokal und global vernetzten Wertschöpfungsketten, die unter anderem von fragilen Lieferketten und Störungen unterschiedlichster Art charakterisiert sind. Um die Grundversorgung zu gewährleisten, sind deshalb resiliente Ernährungssysteme essentiell. Dabei ist nicht nur die Lieferung der Lebensmittel wichtig, entscheidend ist vor allem, dass gesundheitlich unbedenkliche Erzeugnisse beim Konsumenten ankommen. Voraussetzung dafür: ein resilienter Produktionsprozess. Anhand der Beispiele »Vertical Farming« und »Neuartige Pflanzenölmühlen« untersuchten Teams von Forschenden der Fraunhofer-Institute IME, IPT und IVV im Rahmen der Initiative »ReSearch« Strategien zur Stärkung der Resilienz. Die Erkenntnisse sind in dem neu erschienenen Whitepaper »Resiliente Wertschöpfungsketten für die Lebensmittelproduktion« zusammengefasst, das ab sofort zu Verfügung steht.

Aufgrund aktueller Krisen und Ressourcenknappheit besteht branchenübergreifend großer Handlungsdruck, die Resilienz der Lebensmittelproduktion zu stärken – so das Ergebnis aus Umfragen und Gesprächen mit Fachverbänden und Unternehmen der Ernährungswirtschaft, die das Forschungsteam der Fraunhofer-Initiative »ReSearchL« hervorgebracht hat. Als resilient gelten im Produktionskontext vor allem Unternehmen oder Fertigungssysteme, die sich unter anderem stets an interne und externe Veränderungen und Störungen in komplexen, sich schnell verändernden Produktions- und Wertschöpfungsnetzwerken anpassen können, und die auch unter veränderten Rahmenbedingungen sichere und qualitativ hochwertige Produkte liefern.

Um die Resilienz in der Lebensmittelproduktion zu bewerten, haben die Forschenden zwei Dimensionen betrachtet: die technische Resilienz der genutzten Produktionsanlagen und die Ökosystemresilienz der angebauten Nahrungsmittel. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME untersuchten hierbei gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT beide Resilienzdimensionen anhand der neuartigen Vertical-Farming-Plattformtechnologie OrbiPlant® des Fraunhofer IME. Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV analysierte die Ökosystemresilienz am Modell der »Neuartigen Pflanzenölmühle«. Beide Fälle zeigen im Ergebnis die erfolgreiche Anwendung einer resilienten Systemarchitektur: Dafür wurde zunächst mithilfe digitaler Technologien auf Basis möglicher Störfälle ein digitaler Schatten für beide Anwendungsfälle konzipiert, um Einflussgrößen und Produktqualitätsgrößen zu bestimmen.

Resilienz für Indoor-/Vertical-Farming-Produktionssysteme

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IME untersuchten auf Basis ihrer neuartigen OrbiPlant®-Vertical-Farming-Plattformtechnologie gemeinsam mit dem Fraunhofer IPT relevante Störfalle im Rahmen einer exemplarischen Basilikumproduktion, um daraus mögliche Ansätze zur Etablierung eines resilienten Produktionsprozesses abzuleiten. Indoor-Lebensmittel-produktionssysteme wie diese weisen spezifische Herausforderungen hinsichtlich ihrer technischen Resilienz und auch der Ökosystemresilienz auf, die sich aus der geschützten Produktionsumgebung bei gleichzeitig hohen Pflanzendichten ergeben. Relevant sind hier vor allem Störgrößen im Bereich der Anlagensystemtechnik und des pflanzlichen Zielprodukts. Im Fall einer Störung können sie innerhalb kurzer Zeit zu einem kritischen Ernteausfall führen.

In diesem Anwendungsfall induzierten die Forschenden auf zwei OrbiPlant®-Vertical-Farming-Anlagen technische und pflanzenspezifische Störfälle, die durch geeignete Sensorik und Echtzeiterfassung der Anlagendaten eindeutig detektiert werden konnten. Der verfolgte Resilienzansatz geht über ein einfaches Anlagen-Monitoring mit Fehlerbenachrichtigung hinaus
und kann zukünftig einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Versorgung mit sowohl
gesundheitlich unbedenklichen als auch qualitativ hochwertigen Lebensmitteln leisten.

Digitaler Schatten und Sensorkonzepte für eine neuartige Pflanzenölmühle

Zur Betrachtung der Resilienz eines Ökosystems hat das Team des Fraunhofer IVV eine neue Pflanzenölmühle als Fallbeispiel herangezogen: Der mitteleuropäische Pflanzenölmarkt ist geprägt von großen Ölmühlen mit einem Durchsatz von einer Million Tonnen pro Jahr, die fast ausschließlich Raps oder Sonnenblumen verarbeiten. Durch diese fehlende Rohstoffdiversität, die großen Produktionsanlagen, den geringen Wert der heimischen Futtermittelschrote und die daraus resultierende Abhängigkeit von Transporten aus Osteuropa, Asien und Südamerika ist das System jedoch sehr anfällig gegenüber Ernteausfällen, Pflanzenkrankheiten und vielem mehr.

Im Mittelpunkt des Projekts stand die Pressung der Ölsaaten, da sie der zentrale Prozessschritt bei der Ölgewinnung ist. Um die Systemresilienz zu qualifizieren wurde auf Basis leistungsfähiger Modelle untersucht, welche Kontinuitäts- und Wiederanlauf-Strategien die Auswirkungen von Störszenarien minimieren können. Dazu wurde der digitale Schatten einer neuartigen Ölmühle inklusive eines Sensorkonzepts erstellt und durch Untersuchung zweier ausgewählter Störfälle validiert: der komplette beziehungsweise der teilweise Ausfall der Energieversorgung. Abschließend leiteten die Forschenden Handlungsempfehlungen ab, um die Prozesse in Ölmühlen resilienter zu gestalten. Dazu zählen ein umfassendes Sensorkonzept sowie eine Reihe weiterer Maßnahmen.

Whitepaper

Das Whitepaper, das ab sofort kostenfrei zu Verfügung steht, ist Ergebnis der Initiative »Resiliente Systemarchitektur zur Sicherung der Lebensmittelproduktion« (ReSearchL). Das Team an Forschenden der Fraunhofer-Institute IVV, IPT und IME hat sich darin das Ziel gesetzt, die Resilienz der Systemarchitektur von Nahrungsmittelproduktionen analysierbar, bewertbar und gestaltbar zu machen. Der Fokus liegt vor allem darauf, relevante Daten zu gewinnen, um Lösungsansätze für eine verbesserte Resilienz zu generieren.

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