Auch wenn es mittlerweile Alternativen gibt, bleibt Kobalt für Elektroautos mittelfristig unverzichtbar. Trotz Preisvolatilität und teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen, nahm der globale Abbau 2021 laut The Cobalt Institute auf 175.000 Tonnen zu. Das entspricht einem Plus von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Kobaltproduktion nimmt damit weiter an Fahrt auf: zwischen 2015 und 2020 war die jährlich Wachstumsrate mit neun Prozent halb so stark.

Drei Viertel des globalen Kobalts werden in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) gefördert, das dort als Nebenprodukt des Kupferabbaus anfällt. 2021 entsprach dies knapp 118.000 Tonnen. Weitere Abbauländer sind  Australien mit 5.600 Tonnen (3 Prozent), Kuba, die Philippinen, Russland, Kanada und Papua New Guinea, die jeweils 3.000 bis 5.000 Tonnen Kobalt produziert haben. Der wachsende Bedarf ist der Batterieindustrie geschuldet, die zwei Drittel des Metalls für sich beansprucht.

Autoindustrie überholt Elektronikbranche

Bis vor Kurzem dominierte die Elektronikindustrie die Nachfrage nach Kobalt. 2021 avancierte die Automobilbranche jedoch erstmals mit einem Anteil von 34 Prozent zum wichtigsten Sektor für das seltene Metall – dies geht mit der Verdopplung von E-Auto-Verkäufen gegenüber dem Vorjahr einher. Tendenz weiter steigend, denn der Elektroautomarkt hat auch das größte Wachstumspotenzial. In einem vollelektrischen Fahrzeug sind 4,5 bis 15 Kilogramm Kobalt verbaut. Ein Bruchteil dieser Menge wird in Smartphones verwendet, die je nach Modell auf fünf bis 20 Gramm kommen.

Autohersteller arbeiten eifrig daran den Kobaltanteil zu reduzieren. Bislang konnte der Kobaltanteil in E-Autos um ein Drittel auf unter zehn Prozent gedrückt werden. Trotz dieser Fortschritte wird sich der Kobaltbedarf bis 2030 vervielfachen. Dies ist der steigenden Nachfrage nach E-Autos und dem Trend zu größeren Akkus geschuldet. 2022 sind über 10 Millionen neue E-Autos verkauft worden. Die Internationale Energieagentur rechnet im Jahr 2030 mit 25 bis 45 Millionen neuen Elektrofahrzeugen (Plug-In-Hybride inklusive).

Die Verwendung von Kobalt ist aufgrund der politischen Instabilität in der DR Kongo nicht nur ein hoher Kostenfaktor, sondern steht auch aus ethischer Sicht in der Kritik. Die Verletzung von Menschenrechten, Kinderarbeit, Umweltzerstörung und Korruption stehen im Widerspruch zum sauberen Image der Elektromobilität, die nun definitiv der Haupttreiber für den Kobaltabbau in dem instabilen Land ist.

Besonders problematisch ist dabei der sogenannte artisanale Bergbau in der DR Kongo, der unreguliert und besonders gefährlich für die Arbeiter ist. Historisch gesehen ist diese Form des Bergbaus rückläufig, doch gewinnt sie wegen der gestiegenen Nachfrage wieder an Bedeutung und betrug 2021 je nach Quelle zwischen zwölf und 30 Prozent der Gesamtproduktion in dem zentralafrikanischen Land. Somit stammt genauso viel oder mehr Kobalt aus kongolesischem Kleinbergbau als aus den drei Produktionsländern Australien, Russland und Kuba zusammen. Weit über die Hälfte der Weltreserven befinden sich in der DR Kongo, was das Land auch in absehbarer Zukunft zentral für die Deckung des Bedarfs macht.

Autobauer arbeiten an Lieferkettentransparenz

Autohersteller, Batterieproduzenten und die Elektronikindustrie sind bemüht, die Situation in der DR Kongo zu verbessern. BMW, Volkswagen, BASF und Samsung sind Teil des industrieübergreifenden Projekts „Cobalt for Development“, das von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ausgeführt wird. Unter anderem sollen Schulungen die Arbeits- und Lebensbedingungen der Schürfer im Kleinstbergbau verbessern.

Über eine Partnerschaft mit der auf Lieferketten-Analyse spezialisierten Agentur RCS Global wollen die Volkswagen-Gruppe und Mercedes außerdem für mehr Transparenz in ihren Lieferketten sorgen. BMW versucht Kobalt außerhalb Zentralafrikas zu beziehen. Für seine fünfte Generation an Hochvoltspeichern, die im Modell iX3 zum Einsatz kommen, bezieht der bayerische Autohersteller Kobalt direkt bei Rohstoffproduzenten in Marokko und Australien und stellt es dann Batteriezellenherstellern zur Verfügung.

Außerdem will BMW in Zukunft den Anteil an recyceltem Kobalt deutlich erhöhen und arbeitet dafür mit dem belgischen Metall- und Recyclingunternehmen Umicore zusammen. Auch Volkswagen betreibt in Salzgitter eine Pilotanlage in der ausgediente Elektroauto-Batterien recycelt werden. Kobalt und auch Nickel lassen sich theoretisch fast vollständig wiederverwerten. Das Öko-Institut rechnete aus, dass bis 2030 gerade einmal zehn Prozent des Kobaltbedarfs aus recycelten Produkten stammen wird. 2050 könnte das Kobalt-Recycling sogar 40 Prozent ausmachen.

Mercedes hat sich bewusst dafür entschieden, kritische Herkunftsländer wie etwa die DR Kongo nicht generell als Bezugsquelle auszuschließen und folgt laut eigenen Angaben damit Empfehlungen von NGOs und der Politik. Die Strategie: durch höhere Anforderungen die Einhaltung von Menschenrechten vor Ort etablieren und die lokale Wirtschaft fördern. Künftig will Mercedes ausschließlich Batteriezellen mit Kobalt aus zertifiziertem Abbau beziehen. Doch die Realität ist kompliziert.

Abbaubedingungen bleiben miserabel

Trotz der Bekenntnisse und zahlreichen Initiativen ist die Situation in der DR Kongo weiterhin sehr unzufriedenstellend. Der US-Autor Siddharth Kara geht mit den Elektroautoproduzenten hart ins Gericht. „Das was gemacht wird, ist längst nicht genug.“ Dem auf moderne Sklaverei spezialisierten Experten ist es bei seinen Recherchen in der DR Kongo gelungen in schwer zugängliche Abbaustätten vorzudringen, die es offiziell gar nicht geben dürfte. Es handelt sich um Gruben, die den großen Bergbaukonzernen gehören und in denen laut kongolesischer Gesetzgebung kein Kleinstbergbau stattfinden darf.

Auf einem Video, das Kara auf sozialen Medien geteilt hat, findet jedoch scheinbar genau das statt. Zu sehen ist eine schier endlose Menschenmasse in einer riesigen Grube, der Shabara-Mine, die laut AFP zu Glencore gehört. Tausende Schürfer klopfen ohne Schutzbekleidung Steine oder füllen mit bloßen Händen Säcke mit dem blaugesprenkelten Erz. Seine Recherchen hat Kara im kürzlich erschienen Buch „Cobalt Red“ zusammengefasst und hofft, dass die Glieder am anderen Ende der Lieferkette das Leben der Kongolesen für wertvoll genug halten, um sich für eine ernsthafte Verbesserung einsetzen.

Sackgasse Korruption

Andere Stimmen sehen das Versagen im Kampf gegen die unmenschlichen Abbaubedingungen allerdings bei der kongolesischen Regierung. Die Korruption reicht bis in die höchsten Regierungskreise. „Viele Reformen sind  ausgehebelt worden, weil es bestimmte Interessen gibt, den status quo beizubehalten,“ sagt etwa Sasha Lezhnev von der NGO The Sentry der Nachrichtenagentur AFP. Minenbetreiber Glencore bemühe sich seit Jahren dem illegalen Abbau auf seiner Konzession ein Ende zu bereiten. „Bis zu 40 Lastwagen verlassen das Gelände, um es an andere Unternehmen zu liefern. Es ist offensichtlich, dass dies organisiert ist und nicht das Werk von Kleinschürfern“,  zitiert AFP eine Sprecherin von Glencore.

In den vergangenen Jahren haben chinesische Bergbauunternehmen ihre Präsenz in Zentralafrika stark ausgeweitet. Sie verschiffen die Kobaltvorprodukte nach China, wo daraus hochreine Kobaltchemikalien für die Batterieindustrie hergestellt werden. China ist mit Abstand der wichtigste Produzent von Lithium-Ionen-Akkus. Laut dem Observatory of Economic Complexity (OEC) hat China die Kobaltimporte aus der DR Kongo zwischen 2015 und 2020 nahezu verdreifacht. Größter einzelner Kobalthersteller ist jedoch das Britisch-Schweizer Bergbauunternehmen Glencore, das außerdem noch in Australien und Kanada Kobalt abbaut. In Norwegen betreibt Glencore eine Raffinerie für Nickel und Kobalt.

Kobaltfreie Elektroautos auf Vormarsch

Stellt sich die Frage, ob die Autoindustrie als wichtigster Abnehmer auf Kobalt verzichten kann? Das Metall ist ein wichtiger Bestandteil in den Kathoden von Lithium-Ionen-Akkus, weil es für eine höhere Energiedichte sorgt, die wiederum für die Reichweite des Fahrzeugs relevant ist. In Elektro-Pkws dominieren derzeit Lithium-Ionen-Akkus mit Nickel, Mangan und Kobalt (NMC).

Kobaltfreie Elektroautos sind jedoch schon Realität, vor allem in China. Dort setzen schon seit längerem viele Autohersteller auf Lithium-Eisen-Phosphat-Akkus (LFP). Diese sind wesentlich kostengünstiger, denn sie kommen ohne Kobalt und Nickel aus, den teuersten Elementen eines Elektrofahrzeugs. Sie haben außerdem eine längere Lebensdauer und sollen auch hinsichtlich der Brandgefahr sicherer sein.

Die Einbußen bei der Reichweite werden durch laufenden Optimierungen immer kleiner. Tesla ist einer der ersten westlichen Hersteller, der auf LFP-Akkus des chinesischen Batterieherstellers CATL setzt und im Model Y und Model 3 verbaut. CATL konnte die Energiedichte seiner LFP-Batterien  weiter erhöhen. Der Reichweitenunterschied zur Ausführung mit NMC-Akku beim Model 3 soll laut CEO Elon Musk nur 16 Kilometer betragen. Fast jedes zweite Fahrzeug, das beim US-Hersteller vom Band geht, soll inzwischen mit LFP-Akku ausgestattet sein. Musk kündigte an, alle Elektroautos mit Standard-Reichweite auf diese Batterietechnologieumzustellen.

CATL kündigte letztes Jahr zudem an, Lithium-Mangan-Eisenphosphat-Batterien in die Massenproduktion zu bringen. Deren Energiedichte  ist bis zu einem Fünftel höher als bei LFP-Akkus. Auch deutsche Automobilkonzerne sind auf den LFP-Zug aufgesprungen und haben bereits für bestimmte Modelle LFP-Batterien angekündigt. In der Branche ist bereits von einer neuen „Eisenzeit“ die Rede.

Doch selbst wenn die Autoindustrie in Zukunft ganz auf Kobalt verzichtet, bleiben noch die Elektronikbranche und andere Industrien, die Kobalt benötigen. Wegen seiner Hitzebeständigkeit wird das Metall in der Keramik-, Luft- und Raumfahrtindustrie eingesetzt. 2021 verbrauchten diese Zweige insgesamt 117.250 Tonnen bzw. zwei Drittel der globalen Produktion. Das entspricht genau der Produktionsmenge aus der DR Kongo. Das Land und dessen Bevölkerung wird also weiterhin einen wichtigen Beitrag für unseren hochtechnologischen Alltag leisten.

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